2019 04 08 Wahlrechtsreform

Reform des Wahlrechts zum Deutschen Bundestag


Obwohl das geltende Wahlrecht grundsätzlich von einer Mandatszahl von 598 Abgeordneten bei 299 Wahlkreisen ausgeht, besteht der Deutsche Bundestag auf der Grundlage des Wahlergebnisses vom September 2017 aus 709 Abgeordneten (299 direkt, 410 über Listen gewählte Abgeordnete). Dies ergibt sich aus dem sogenannten „personalisierten Verhältniswahlrecht“. Es ist durch drei wesentliche Elemente gekennzeichnet, die miteinander verbunden sind:

  1. Es gibt in Wahlkreisen durch die Erststimme mit relativer Mehrheit gewählte Abgeordnete (personales Element).
  2. Die Mehrheitsverhältnisse im Deutschen Bundestag insgesamt sind im Wesentlichen proportional zu den von den Parteien erhaltenen Zweitstimmen (Verhältniswahl).
  3. Es erfolgt eine im Wesentlichen gleichgewichtige Verteilung der Mandate nach Einwohnerzahlen und erhaltenen Stimmen auf die Länder und die Landeslisten der Parteien (föderatives Element).

Dass der Bundestag nun immer weiter wächst, hängt vor allem mit den Überhangmandaten und deren Ausgleich zusammen. Gewinnt eine Partei mehr Direktmandate als ihr laut Zweitstimmenergebnis zustehen würden, bekommt sie ein Überhangmandat zugesprochen. Um das Verhältnis zu wahren, müssen diese Mandate durch sogenannte Ausgleichsmandate kompensiert werden.

Nun hat der Bundestagspräsident den Versuch unternommen, eine Wahlrechtsreform auf den Weg zu bringen. Sein Vorschlag sieht die Kombination einer moderaten Reduzierung der Zahl der Wahlkreise mit einer moderaten Begrenzung der zur Herstellung proportionaler Mehrheitsverhältnisse eingeführten Ausgleichsmechanismen vor: Die Ausschöpfung des vom Bundesverfassungsgericht für möglich gehaltenen Nichtausgleichs von bis zu 15 Überhangmandaten und Verringerung der Zahl der Wahlkreise auf 270 bei Festhalten an der Ausgangssitzzahl 598.

Unter Zugrundelegung des Ergebnisses der Bundestagswahl von 2017 würde dies zu insgesamt 641 Sitzen führen. Diese Verringerung wäre aber mit der Streichung von 29 Direktmandaten verbunden gewesen.

Deshalb scheiterte der erneute Anlauf zur Wahlrechtsreform. Eine dauerhafte Lösung ließe sich wohl nur durch einen vollständigen Systemwechsel erreichen: Der eine Teil der Abgeordneten wird mit der Erststimme direkt gewählt, der andere Teil der Abgeordneten mit der Zeitstimme über Landeslisten. Die direkt gewählten Abgeordneten werden nicht auf die Landeslisten angerechnet. Dadurch würde sowohl die Repräsentanz von Wahlkreisabgeordneten gesichert als auch dem Proportionalitätsprinzip Rechnung getragen. Es wäre ein echtes Zwei- Stimmen-Wahlrecht, bei dem beiden Stimmen entsprechendes Gewicht zukommt – einmal für den Wahlkreis und einmal für die Liste. Gleichzeitig ließe sich eine klar definierte Bundestagsgröße etwa bei 598 Abgeordneten festlegen. Sämtliche im derzeitigen personalisierten Verhältniswahlrecht erörterten verfassungsrechtlichen Probleme wie etwa das von Überhangmandaten oder negativem Stimmgewicht und anderen inversen Effekten würden dadurch ausgeschlossen. Das Wahlrecht zum Deutschen Bundestag würde wieder einfach und allgemein verständlich.