2019 01 15 Kohle

Eine Herkulesaufgabe

Im Juni dieses Jahres wurde die Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung (WSB) ins Leben gerufen. Sie soll sicherstellen, dass in Deutschland auch in Zukunft eine sichere und wirtschaftliche Energieversorgung gewährleistet ist und zugleich die gesteckten Klimaziele erreicht werden. Im Zentrum steht dabei auch die Frage, wie es mit der Braunkohle weitergeht. Sowohl Ziel als auch Zeitplan sind also ambitioniert.

Konsequenzen eines Kohleausstiegs

Für die Kohleregionen stellt der Ausstieg aus der Braunkohle eine Herkulesaufgabe dar, denn ihre wirtschaftliche Struktur ist stark durch die Braunkohle geprägt. Kommt es zu einem vorzeitigen Kohleausstieg fallen nicht nur die Arbeitsplätze in der Kohleförderung und –verstromung weg, sondern auch Arbeitsplätze bei Subunternehmen und den entsprechenden Dienstleistungsunternehmen. So verdienen etwa 60.000 Menschen in Deutschland ihr Geld direkt oder indirekt mit der Braunkohle. Die beiden größten Reviere liegen in Nordrhein-Westfalen und in der Lausitz. Dort werden jährlich 60 Millionen Tonnen Braunkohle abgebaut. Gerade in der strukturschwachen Region Lausitz, die unter anderem mit einem Rückgang der Einwohnerzahl zu kämpfen hat, geht ein Wegfall tausender Industriearbeitsplätze mit massiven Konsequenzen einher.

Daneben gilt es Aspekte der Versorgungssicherheit und Strompreisstabilität zu betrachten. Immerhin kommt etwa ein Viertel des deutschen Stroms aus der Braunkohle. Gerade als heimischer Energieträger bietet sie Haushalten und der Industrie eine sichere Versorgung bei vorhersehbaren und stabilen Preisen. Sie ist als verlässlicher Partner der Erneuerbaren im Energiemix noch lange unverzichtbar. Die Bedeutung der Kohlekraftwerke für die Versorgungssicherheit wird mit dem Atomausstieg sogar noch einmal zunehmen. Und natürlich ist die Wirtschaftlichkeit der Energieversorgung ein Grundpfeiler der internationalen Wettbewerbsfähigkeit unserer Industrie.

Kommunale Aspekte

Vor allem auf die Kommunen, in denen sich die Kraftwerksstadtorte befinden, könnten durch eine mögliche Reduzierung der Kohleverstromung oder gar einem vorzeitigen Kohleausstieg massive finanzielle Auswirkungen zukommen. Lohn- und Einkommenssteuererträge würden stark sinken, denn die Arbeitsplätze in der Kohleverstromung sind gut bezahlt. Und auch die Gewerbesteuereinnahmen würden geringer. Folge sind kleinere, kommunale Haushalte, was wiederum zu einer Absenkung der öffentlichen Leistungen in den Regionen führt. Besonders herausfordernd ist die Situation im Lausitzer Braunkohlerevier, in dem die Kommunen mit erheblichen Steuerückforderungen des vormaligen Eigentümers Vattenfall konfrontiert sind.

Zudem sind zahlreiche Kommunen bei ihrer Fernwärmeversorgung massiv von Braunkohlekraftwerken abhängig. Und auch ihre Rolle im Bereich der kommunalen Abfallversorgung ist nicht zu unterschätzen, da kommunaler Siedlungsmüll als sogenannter Sekundärbrennstoff mitverbrannt wird. Allein im Jahr 2017 wurden rund 319.400 Tonnen Sekundarbrennstoffe – dies entspricht 635.000 Tonnen Haushaltmüll – durch Mitverbrennung entsorgt. Die Müllverbrennung spielt also eine Rolle sowohl zur Verringerung des Platzbedarfes von Deponien in den Kommunen, als auch zur Reduzierung der Müllexporte ins Ausland.

Schließlich droht durch eine kurzfristige Stilllegung der Tagebau eine erhöhte Eisenhydroxidbelastung der Fließgewässer. Besonders in der Lausitz gibt es infolge der überstürzten Schließung der DDR-Tagebaue nach der Wende schon jetzt auch wasserwirtschaftliche Konsequenz. Weitere Stilllegungen von Kraftwerke können die Schadstoffbelastung weiter verschärfen und negative Auswirkungen mit sich bringen, nicht nur für den Tourismus vor Ort, sondern auch für das Trinkwasser in Berlin und Frankfurt (Oder).

Aus der Kommission

Die genannten Aspekte belegen, wie bedeutend die Arbeit und vor allem das Ergebnis der Kommission für ganz Deutschland sein wird. Zu den bisher von der Kommission diskutierten Themen gehören dann auch neben den Klimazielen mögliche Förderprogramme zur Unterstützung des Strukturwandels, die Beschäftigung und Wertschöpfung in der Energieerzeugung, die Versorgungssicherheit, sowie Ansätze für neue regionale Wertschöpfung.

Kürzlich erschien ein erster Teil des Zwischenberichts der WSB-Kommission mit möglichen Maßnahmen zur sozialen und strukturpolitischen Entwicklungen der Braunkohleregionen. Aus kommunaler Sicht sind einige erwähnenswerte Zwischenergebnisse zum Zuge gekommen. Zum einen wurde festgeschrieben, die Regionen durch Investitionen in Infrastruktur und Bildung sowie regulatorische Freiräume in die Lage versetzen, selbst die Strukturentwicklung zu gestalten. Des Weiteren soll ein noch festzulegender Anteil der Mittel für zivilgesellschaftliche Aktivitäten, Lebensqualität und weiche Standortfaktoren einfließen. Außerdem sieht die Kommission eine besondere Verpflichtungen für Länder und Kommunen darin, rechtzeitig ausreichende Flächen für Neuansiedlungen in den Regionen zur Verfügung zu stellen und diese Flächen, unter Nutzung von Elementen zur Beschleunigung von Planung und Genehmigung, mit allen modernen Infrastrukturen zu erschließen.

Aus unserer Sicht ist der Zwischenbericht nicht ausreichend mit Detailvorschlägen versorgt. Die Inhalte müssen deshalb im Abschlussbericht im Lichte der weiteren Beratungen konkretisiert und angepasst werden.

Ausblick

Eine Abkehr von der Braunkohleverstromung ist für den Bund mit der Aufgabe verbunden, sich durch die Schaffung nachhaltiger finanzieller und strukturpolitischer Rahmenbedingungen aktiv an der Strukturentwicklung in den Regionen zu beteiligen. Diese muss zum Ziel haben, die von dem Energiesektor abhängigen Arbeitsplätze sowie die erzeugte Wertschöpfung zu ersetzen. Die Herausforderungen sind für alle Reviere ähnlich, aber es gibt regionale Besonderheiten, die individuelle gelöst werden müssen.

Dies umfasst unter anderem die öffentliche Förderung von Investitionen und Unternehmensansiedlungen. Zudem gilt es, die vorhandenen industriellen und technologischen Kompetenzen der Regionen zu nutzen, um leitungsstarke Cluster in den Bereichen Digitalisierung und Energie auszubauen. Die Förderung der Innovationskraft mittelständischer Unternehmen in Form eines höheren Förderansatzes für Forschungsprojekte kann ebenfalls ein zentraler Baustein für die Stärkung der Regionen sein. Außerdem ist eine gute Bildungs- und Forschungslandschaft entscheidend für die Schaffung neuer, hochwertiger Arbeitsplätze.

Im Bundeshaushalt sind für diese Legislaturperiode zusätzlich 1,5 Milliarden Euro als prioritäre Ausgaben für Strukturpolitik vorgesehen. Dies ist aber nur ein erster Schritt. Verschiedene Förderprogramme sollen zur Stärkung der Infrastrukturausstattung in den Revieren - Straßen und Schienen, digitale Infrastruktur, energiewirtschaftliche Infrastruktur - beitragen.

Die Kommunen werden die finanziellen Lasten nicht vollständig mittragen können. Der von der örtlichen Akteuren zu erbringenden Eigenanteile soll im Bedarfsfall abgesenkt werden können oder alternative Finanzierungsformen für die Eigenanteile etabliert werden. Die Kommission hält es daher für erforderlich, die Kommunen bei den erforderlichen Planungs- und Verwaltungskapazitäten durch intelligente Lösungen zu unterstützen.

Strukturwandelprozesse sind langwieriger Prozesse, die bisher in Deutschland stets länger gedauert und mehr Ressourcen beansprucht haben als ursprünglich angenommen. Brüche müssen verhindert werden, der Wandel muss aktiv gestaltet werden. Es gilt, den Rahmen so zu setzen, dass die Zukunft gewonnen werden kann. Der Ausstieg aus der Braunkohle muss das letzte Glied in der Kette sein und kann erst erfolgen, wenn der Strukturwandel gelungen ist.

[Quelle: Andreas Lämmel MdB und Andreas Lenz MdB in Kommunalpolitische Blätter 12/2018]